Montag, Oktober 17, 2005

„Lesen bildet!“

… haben uns unsere Eltern immer gesagt. (Warum sieht man sie dann eigentlich so selten mit einem Buch in der Hand?) Vor allem aber kann es Spaß machen.
In Tom Millers „Auf den Spuren des Panamahutes“ hab ich einen Absatz über das Reisen in lateinamerikanischen Bussen gefunden, der mir anhand eigener Reiseerfahrungen die Tränen in die Augen drückt.
Argentinienreisende mögen folgenden Text als hoffnungslos übertrieben darstellen. Für alle Guatemala-, Honduras-, Nicaragua-, Venezuela-, Kolumbien-, Ecuador-, Peru- und Bolivienerfahrenen dagegen garantiere ich Bauchschmerzen anhand der wiedergefundenen Reiseerinnerungen:

„ Wenn man eine Busreise in Lateinamerika plant, sollte man vor dem Einsteigen folgende Checkliste durchgehen:

  • Schauen Sie sich die Reifen an. Sind drei oder mehr der sechs Reifen (die meisten Busse haben hiten zwei Paar Reifen) völlig abgefahren, so erhöht das die Wahrscheinlichkeit, das der Bus abstürzt. Ist der Reifencord sichtbar, so steht das Platzen der Reifen unmittelbar bevor.

  • Hat der Bus mindestens einen Scheibenwischer? Gut. Wenn sich dieser auf der Fahrerseite befindet, umso besser. Versuchen Sie Busse zu meiden, deren Windschutzscheiben so voller Abziehbilder, Figuren und Bilder sind, dass dem Fahrer nur ein postkartengroßes Loch bleibt, um in die Zukunft zu sehen. Heiligenschreine, Homilien, protzige Stoßstangenaufkleber und religiöse Kinkerlitzchen sagen nichts über die Sicherheit eines Busses aus. Jesus Christus und Che Guevara werden häufig auf demselben Abziehbild verehrt. Dies sollte sie weder zu großen Hoffnungen veranlassen, noch nagenden Zweifel in Ihnen hervorrufen.

  • Ob der Fahrer nüchtern ist, spielt keine ausschlaggebende Rolle. Die Anwesenheit seiner Frau oder Freundin schon. Wenn sie dabei ist, sitzt sie gewöhnlich direkt hinter ihm, neben ihm oder auf seinem Schoß. Er wird sie mit waghalsigen Fahrkünsten beeindrucken wollen, sich aber auch sehr darum bemühen, dass sie nicht zu Schaden kommt. Wenn er keine Freundin oder Frau hat, wächst die Gefahr, das der Bus abstürzt.

  • Sie können die Bremen eines Busses nicht überprüfen. In Guatemala fragte ich einmal einen Busfahrer nach den Bremsen. „Schauen Sie“, sagte er, „der Bus ist stehen geblieben, oder nicht? Also müssen die Bremsen funktionieren.“Bei Überlandbussen werden den Fahrgästen die Sitze häufig vor dem Einsteigen zugewiesen. Lehnen Sie einen Sitz direkt hinter dem Fahrer oder vorne rechts ab. Findet die Fahrt tagsüber statt, werden Sie pro Minute mindestens einmal kurz vor einem Herzinfarkt stehen, wenn Ihr Gefährt gelegentlich in uneinsehbaren Kurven bergauf einen Laster überholt oder haarscharf dem Zusammenstoß mit einem entgegenkommenden Bus entgeht. Nachts wird Sie das unablässige grelle Aufleuchten vor Ihnen auftauchender Scheinwerfer blenden. Irgendwann wird Ihnen der Lautsprecher des improvisierten Radios des Fahrers näher an Ihren Ohren baumeln, als Ihnen lieb ist.

  • Halten Sie stets Ihren Reisepass bereit. Willkürliche Militärkontrollen finden immer dann statt, wenn Sie diese am wenigsten erwarten. Ein paar Meilen außerhalb Esmeraldas, an der Pazifikküste südlich von Colombia, hielt ich einmal einen Überlandbus zehn Minuten land auf, als ich verzweifelt zuerst auf dem Dach des Busses nach meiner Tasche und dann in der Tasche nach meinem Pass suchte.

1 Comments:

Anonymous Anonym said...

komisch - da schreibt ein unbekannter irgendwas und auf einmal findet man sich in genau dem wieder und dies, obwohl es sonst, ohne dieses fliegende zaunslattenfeld, im wiederkehrenden alltag unbedacht bleibt- diese fahrten gelebt, ja besser noch ÜBER-lebt zu haben.........genial.
wenn man sich der heransgehnsweise an dinge bewusst wird, diese mit einer unbeschreiblichen intensitaet in sich aufnimmt, werden sie wohl von niemand mehr genommen werden koennen - nicht mal von nem erdrutsch.
dies ist mein wunsch an dich fuer dein kommendes zeitgefuege.

So. Okt. 23, 12:27:00 AM

 

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